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«Da fehlen ein paar Nullen»

50-jährige Männer, deren Musik auch Teenager feiern. Michi Beck, Thomas D, Smudo und Andy Ypsilon (von links).

Seit «Die da!?!», dem ersten Hit von den Fantastischen Vier aus Stuttgart, sind über 25 Jahre vergangen. In dieser Zeit haben Smudo, Thomas D, Michi Beck und Andy Ypsilon die Höhen und Tiefen des Musikgeschäfts mit Bravour gemeistert und sich auch als nachdenkliche Beobachter des gesellschaftlichen Wandels in Deutschland positioniert.

Für die Haltung der Band ist Co-Rapper Thomas D (bürgerlich: Thomas Dürr) exemplarisch. Der heute 50-jährige Veganer lebt mit seiner Familie in einer Künstlerkommune in der Eifel und setzt sich für die Umwelt, für Flüchtlinge und für Tierrechte ein. Am 6. Januar tritt er mit den Fantastischen Vier im Zürcher Hallenstadion auf.

Thomas D, Ihr aktuelles Album «Captain Fantastic» ist streckenweise recht düster. Wie schwierig ist es für Sie, darum herum ein neues Konzertprogramm zu zimmern?

Wir spielen in unserem zweistündigen Best-of-Programm zwar viele Stücke aus «Captain Fantastic», weil die Platte es verdient hat, live gespielt zu werden. Aber so düster wie die Eröffnungsnummer «Endzeitstimmung» sind nicht alle Stücke auf der Platte.

Smudo sagt immer, dass wir lustige Musik zu ernsten Themen machen. Also Musik, die eine gewisse Reinigung bewirkt, damit man den Ernst des Lebens besser verkraften kann.

Da kommt Ihnen Ihr Sprachwitz sicher zugute. Der gibt auch den düsteren Songs von den Fantastischen Vier ein positives Kolorit.

Wenn man Sprache und Musik miteinander verbindet, dann kriegt ein Text ein ganz neues Gewicht. Ich glaube zwar, dass man einen Song auf verschiedene Arten interpretieren kann, allerdings kann man ihn nicht falsch verstehen. Der Ironie und dem Sarkasmus zum Trotz, die in unseren Songs stecken, hat unsere Musik doch immer etwas Lebensbejahendes.

Wobei Ihr Frühwerk «Frohes Fest» lange auf dem Index der jugendgefährdenden Texte stand.

Der wurde inzwischen runtergenommen. Wir konnten den Behörden erklären, dass wir das nicht sind, die da aus der Ich-Perspektive herausrappen und alles Scheisse finden – inklusive Die Fantastischen Vier mit ihrem positiven Gelalle. In «Frohes Fest» haben wir uns in die Menschen hineinversetzt, die so denken, gerade um dahinterzukommen, warum sie so denken.

Unsere Fans haben den Song von Anfang an richtig verstanden. Und erkannt, dass Die Fantastischen Vier nie jemanden wegen seiner Religion oder seiner Herkunft ausgrenzen würden.

Trotz dieser Haltung haben Sie sich aus der Debatte um die letztjährige Verleihung des Echo-Preises an die Agit-Rapper Farid Bang und Kollegah herausgehalten.

Wir waren gottenfroh, dass wir bei der Verleihung nicht dabei waren. Wir wären sonst völlig unvorbereitet in diese Diskussion hineingeschlittert.

Keiner von uns ist ein Fan von Kollegah oder Farid Bang, darum hat keiner von uns die Platte gehört, für die sie den Preis erhalten haben. Das ist ja auch das Schöne an der Musik. Man muss sie sich nicht antun, wenn sie einem nicht gefällt. Kollegah hat zwar Rap-technisch etwas drauf, aber inhaltlich ist diese Musik für mich nix.

Sie hätten aber auch im Nachhinein dazu Stellung beziehen können, dass ein Album mit antisemitischen, frauenfeindlichen und homophoben Texten mit dem grössten deutschen Musikpreis ausgezeichnet wurde.

Die Diskussion, die nach der Verleihung losgebrochen ist, war schon richtig und wichtig. Ich für meinen Teil wollte Kollegah und Farid Bang aber nicht zu noch mehr Publicity verhelfen. Wenn einer von sich sagen kann, dass der grösste deutsche Musikpreis seinetwegen abgeschafft wurde, dann kann er sich das auf die Brust tätowieren. Mehr Ruhm kann man als Bad Boy gar nicht mehr kriegen.

Kollegah und Farid Bang haben den Echo-Preis zwar nur dafür gekriegt, dass sie viele Platten verkauft haben. Aber auch bei einem reinen Verkaufspreis hätte die deutsche Musikindustrie darauf achten müssen, dass ihr eine derartige Peinlichkeit nicht unterläuft.

Die Plattenfirmen behaupten mittlerweile, dass man mit Streaming Geld verdienen könne. Spüren Sie etwas von diesem Aufschwung?

Im Musikgeschäft ist nichts mehr so, wie es einmal war. Früher konnte der Musiker in Urlaub gehen, wenn die Fans seine neue Platte gekauft hatten. Ihm konnte es egal sein, was sie damit anfangen. Heute verdienen die Musiker nur etwas, wenn ihre Musik bei Spotify oder Apple Music tatsächlich gehört wird. Darum muss ich die Leute dauernd dazu anregen, meine Musik zu hören. In ihrem Gedächtnis kann ich aber nur bleiben, wenn ich jeden Tag etwas bei Instagram poste, wenn ich mit dem Hund laufen gehe. Oder in der Jury von «The Voice Of Germany» sitze.

Lassen sich die Erträge beziffern, die Sie heute mit verkaufter und gestreamter Musik erzielen?

Physische Verkäufe sind faktisch tot. Von «Captain Fantastic» haben wir vielleicht ein Zehntel von dem verkauft, was wir von unserer zweiten Platte «4 gewinnt» verkauft haben. Beim Streaming sieht es wie folgt aus. Ich habe neulich festgestellt, dass 160 000 Menschen meine Solo-Single «Sirenen» über Spotify gestreamt haben.

Das hat mich sehr gefreut, weil sich das Album «Aufstieg und Fall des Thommy Blank» nicht gut verkauft hat. Für diese 160 000 Streams habe ich ganze 34 Euro erhalten. Hätte ich gleich viele CD-Singles verkauft, hätte ich dafür um die 80 000 Euro erhalten (lacht). Irgendwie fehlen da ein paar Nullen. Die sind wohl bei der Plattenfirma oder bei Spotify liegen geblieben.

Viele Musiker klagen, dass die Fanbindung im Internet-Zeitalter zunehmend schwächer wird. Die Fantastischen Vier haben aber ein generationenübergreifendes Publikum. Woran liegt das?

Wir profitieren von der Gnade der frühen Geburt. Das heisst, dass es viele Leute gibt, die ihr Leben mit unserer Musik verbinden. Ich weiss nicht, wie wir es geschafft haben, dass auch Teenager auf unseren Konzerten stehen und eine Musik feiern, die von 50-jährigen Männern gerappt wird.

Man sagt zwar, dass Die Fantastischen Vier die Rolling Stones des Hip-Hop sind, aber da gibt es Unterschiede. Die Rolling Stones haben die letzten 15 Jahre nichts Relevantes mehr gemacht, während wir mit «Zusammen» auch 2018 wieder einen grossen Hit landen konnten.

Also sind Sie – anders als viele Ihrer Berufskollegen – kein Kulturpessimist?

Überhaupt nicht. Ich denke, dass wir die nächsten zwei bis drei Generationen an unsere Smartphones verlieren werden. Deren Kinder werden sich aber irgendwann vom «Digi-Scheiss» ihrer Eltern abwenden und wieder mit dem Fahrrad in die Natur hinausradeln, wo die Auflösung eh besser ist.

Es braucht halt immer ein bisschen Zeit, bis der menschliche Geist mit der digitalen Ebene gleichzieht. Das merkt man daran, dass man über das Internet Zugang zu jeder Information, jeder Lüge und jeder Weisheit hat und die meisten Leute doch auf Porno-Seiten landen.

Hallenstadion, Zürich-Oerlikon, Wallisellenstrasse 45. Sonntag, 6. Januar, 19 Uhr.www.actentertainment.ch