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Welttag des Buches: Acht Lesetipps der Digital-Redaktion

Und welche Bücher lieben Sie?

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Welttag des Buches | © dpa

Welttag des Buches | © dpa

23.04.2015 | 26.11.2015, 17:18

Bielefeld. Trauer, Freude, Grusel - Bücher können alle möglichen Gefühle im Menschen auslösen. Das ist ihre Stärke. Ob digital oder gedruckt, viele Menschen greifen heute wie früher gerne zum Buch. Am 23. April feiern Lesebegeisterte, Buchhandlungen, Verlage und Bibliotheken zum 20. Mal den Welttag des Buches. Aus diesem Anlass stellt die NW-Onlineredaktion ihre Lieblingsbücher vor. Und fragt Sie: Welches der Bücher, das Sie gelesen haben, hat Sie beeindruckt?

Information
Die 28. Generalkonferenz der UNESCO 1995 hat den 23. April zum "Welttag des Buches und des Urheberrechts" ausgerufen. Der Todestag von Cervantes und Shakespeare soll auf die fundamentale Bedeutung des Buches hinweisen. Die Idee des Welttages geht auf eine alte Tradition in Katalonien zurück, wo seit den 20er Jahren am 23. April auf den Straßen Buchstände aufgebaut und rund um das Buch ein Volksfest gefeiert wird. Mehr Informationen gibt es auf der Unesco-Hompage

Christian Lund: Schon bei Goethes Faust wohnten zwei Seelen, ach!, in seiner Brust. Auch Irmina ist innerlich zerrissen, allerdings nicht zwischen faust\'schen Ambitionen, sondern zwischen Rechtschaffenheit und dem Wunsch nach gesellschaftlichem Aufstieg. Sie ist zugleich Heldin und Anti-Heldin in Barbara Yelins gleichnamiger Graphic Novel.

"Irmina" von Barbara Yelin. - © Reprodukt
"Irmina" von Barbara Yelin. | © Reprodukt

Zutiefst beeindruckend erzählt die Autorin und Zeichnerin darin die Geschichte einer jungen Mitläuferin zur Zeit des Nationalsozialismus\'. Viele Bücher sind darüber geschrieben worden, aber selten geht eines dem Leser so nahe wie dieses. Vielleicht weil Barbara Yelin das Leben ihrer eigenen Großmutter als Vorlage genommen hat. Vielleicht auch, weil es eine Generation an das Schweigen ihrer Eltern und Großeltern erinnert.
Barbara Yelin: Irmina, Reprodukt, 2014
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Angela Wiese: William Stoner wächst als Kind einfacher Landwirte auf, erlebt eine Kindheit voll Verzicht und schwerer Arbeit. Statt auf dem Hof der Eltern zu bleiben, um zu arbeiten, soll Stoner auf die Uni. Eigentlich soll er dort Landwirtschaft studieren, entdeckt aber die Liebe zur Literatur, macht regelrecht Karriere, geht eine unglückliche Ehe ein, erlebt Freude und Schmerz wahrer Liebe.

"Stoner" von John Williams. - © Deutscher Taschenbuch Verlag
"Stoner" von John Williams. | © Deutscher Taschenbuch Verlag

Der amerikanische Roman "Stoner" wurde 1965 erstmals gedruckt und erst 2006 wieder entdeckt. Eindeutig gehört diese Geschichte zu den großen der amerikanischen Literatur. Autor John Williams schildert ein Buch voller Höhen und Tiefen, an deren Ende der Leser an der Reihe ist zu überlegen: Was hätte Stoner anders machen können? Hätte er eine Chance gehabt, wenn er andere Entscheidungen getroffen hätte?
John Williams, Stoner, Deutscher Taschenbuch Verlag, 2013
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Alexander Drößler:
Ein Weg, um den Alltag für eine Weile auszublenden, sind packende Fantasy-Bücher. In einer Liga mit George R.R. Martins "Game of Thrones" und Tolkiens "Herrn der Ringe" spielen die Sturmlicht-Chroniken von Brandon Sanderson. Roschar, eine sturmumtoste Welt, wurde über Jahrtausende von übermenschlichen Kriegern regiert, deren Schwerter jedes Leben auslöschen könnten. Doch diese Krieger sind verschwunden und Roschar droht zu zerfallen.

Die Stürme des Zorns von Brandon Sanderson. - © Heyne
Die Stürme des Zorns von Brandon Sanderson. | © Heyne

Das Schicksal der Welt liegt nun in den Händen derer, die es wagen, die magischen Schwerter zu ergreifen. Dabei kommt es vor allem auf die Rückkehr der Strahlenden Ritter an, von denen der junge Romanheld Kaladin einer sein könnte. Doch zunächst muss er sich aus der Sklaverei der edlen Hellaugen befreien... Von der auf zehn Bände angelegten Reihe ist gerade Teil 2 des zweiten Bandes "Die Stürme des Zorns" im Heyne Verlag erschienen. Loslegen sollten Fantasy-Fans jedoch mit dem ersten Buch "Der Weg der Könige". Brandon Sanderson: Sturmlicht-Chroniken, Heyne Verlag, 2011
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Anneke Quasdorf: Linguistikstudentin aus gutem Hause verliebt sich in jüngeren polnischen Schreinerlehrling, verstößt gegen alle Konventionen, merkt, dass ihr das gut tut und sie sich viel zu lange von den falschen Wertvorstellungen hat bestimmen lassen, woraufhin sie gleich komplett aussteigt und mit ihrer Familie eine linke Selbstversorgerkommune gründet. Das ist, grob runtergebrochen, der Inhalt von Birgit Vanderbekes „Das lässt sich ändern“.

Birgit Vanderbekes "Das lässt sich ändern". - © Piper
Birgit Vanderbekes "Das lässt sich ändern". | © Piper

Und es mag sein, dass sie sich für ihre Geschichte ein wenig zu sorglos und zu umfangreich aus dem großen Klischeetopf bedient hat (reiche, oberflächliche Eltern gegen armen, integren Handwerker, ausländerfeindliche Dorfgemeinschaft gegen musterhaft integrierte Türkenfamilie). Was die Geschichte ausmacht, ist aber auch nicht ihr Inhalt, sondern die wunderbar lakonisch-temporeiche Sprache, in der Vanderbeke sie geschrieben hat. Davon möchte man mehr und mehr lesen - bis da plötzlich „Ende“ steht und man sich ganz verdattert und widerwillig verabschiedet. Birgit Vanderbeke: Das lässt sich ändern, Piper Verlag, 2012
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Julia Gesemann: Es ist kein fliegender, sondern ein fallender Fisch, der dem Leser in "Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel" begegnet. Ian heißt er. Und er fällt tief, rast dem Bürgersteig entgegen. Auf seinem Weg nach unten erhascht er immer wieder einen Blick in die Fenster seines Hochhauses. Und mit ihm lernen wir die Bewohner kennen. Ein Leben beginnt, eines endet und auch sonst passiert viel. Autor Bradley Sommer schafft es, die Schicksale dieser Menschen geschickt miteinander zu verweben - und immer wieder kehrt er zurück zu dem fallenden Ian. Sommer klappt das mehrstöckige Haus auf wie eine Puppenstube. Unterhaltsam, spannend, so berührend wie das Leben selbst. Bradley Sommer: Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel, DuMont Buchverlag, 2015
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Christina Römer: Es ist 1995 und die Computerwelt wird von einer Macht bestimmt: Microsoft. Die Mitarbeiter am Stammsitz in Kalifornien folgen ihrem Chef Bill Gates - dem Mann, der sein Personal dabei kontrolliert, auf welchem Weg es zur Arbeit kommt. Nur, wer den kürzesten Weg nimmt, ist effizient. So beschreibt es Douglas Coupland in seinem Roman "Mikrosklaven". Der kanadische Autor, bekannt durch "Generation X", erschafft eine Welt, die so detailgenau ist, dass der Leser mit einzieht, in die Wohngemeinschaft der Mikrosklaven, die sich irgendwann aus den Fängen von Gates Imperium befreien, um eine eigene Firma zu gründen.

Microserfs von Douglas Coupland. - © HarperCollinsCanada
Microserfs von Douglas Coupland. | © HarperCollinsCanada

Doch die Handlung steht gar nicht im Vordergrund. Viel wichtiger sind die Gedanken, die sich der Ich-Erzähler über sein Leben und das seiner Freunde macht. Das Buch liest sich wie ein Blog, mit kurzen Texthappen. Daniel beschreibt wie sein Mitbewohner nur noch flaches Essen isst (weil man es unter eine Tür hindurchschieben kann und er so unnötige soziale Kontakte vermeidet) oder er fasst in Listenform die Eigenarten seiner Kollegen zusammen.
Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2015 und Microsoft hält längst nicht mehr alle digitalen Zügel in der Hand. Die Beschreibung der "Mikrosklaven" ist dennoch visionär. Der Computer ist Mittelpunkt des sozialen Lebens geworden - wie die Mikrosklaven es bereits vorlebten.
Douglas Coupland: Microserfs, Harper Collins Publishers, 1995
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Kristine Greßhöner: Peng, puff, boing: Privatdetektive in Krimis geben sich bekanntlich gern mit halbseidenen Halunken ab, und da knallt\'s. Bei ihrer Arbeit schleichen sie durch dunkle Gassen, bekommen eins auf die Nase und müssen sich durchschlagen.

Der Autor Wolf Haas. - © dpa
Der Autor Wolf Haas. | © dpa

Kristof Kryszinski im Ruhrpott (Autor: Jörg Juretzka) und Simon Brenner in Österreich (Autor: Wolf Haas) sind für Krimi-Fans zwei besonders lebendige und zugleich sehr unterschiedliche Exemplare. Haas überzeugt mit individueller Wortwahl und feiner Satire, während Juretzka frei nach Schnauze formuliert und schroff austeilt.
Wolf Haas: Auferstehung der Toten, Rowohlt Verlag, 1996
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Jörg Juretzka: Prickel, Rotbuch Verlag, 1998
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"Tod in stiller Nacht" von Viveca Sten. - © Verlag Kiepenheuer & Witsch
"Tod in stiller Nacht" von Viveca Sten. | © Verlag Kiepenheuer & Witsch

Annika Falk: Ich gebe zu, einen Winterkrimi im Sommerurlaub am Strand oder auf der frühlingshaften Terrasse lesen, ist etwas ungewohnt. Sich vom westfälischen Frühling ins weihnachtliche Schweden denken, fällt aber mit Vivea Stens "Tod in stiller Nacht" trotzdem leicht. Weil ihr sechster Roman fesselt wie die Vorgänger.
Eine prominente Kriegsberichterstatterin wird tot vor einem Hotel gefunden, zuvor war sie zahlreichen Morddrohungen ausgesetzt. Wieder geht es um einen mysteriösen Todesfall auf der Schäreninsel Sandham, wieder ermittelt Kommissar Thomas Andreasson und wieder werden die Lebensgeschichten von Thomas und seiner Jugendfreundin Nora erzählt. Doch Viveca Sten gelingt es, jedes Mal so viele neue Aspekte und Konflikte einzubauen, so dass ihre Fangemeinde in Deutschland weiter wachsen wird. Mittlerweile gibt es auf Sandhamn sogar Führungen zu den Schauplätzen, die Viveca Sten in ihren Büchern so eindrücklich schildert.
Sie ist derzeit das Beste, was der schwedische Krimimarkt zu bieten hat. Da lohnt es sich auch, mit ihrem neuen Bestseller gedanklich einen Sprung in den winterlichen Norden zu wagen.
Viveca Sten: Tod in stiller Nacht, Kiepenheuer & Witsch, 2015
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