Integration
Baselbieter Integrationsklassen können steigende Zahl Jugendlicher ohne Deutschkenntnisse «nicht mehr auffangen»

Das System der Fremdsprachenintegrationsklassen ist am Anschlag. 2023 könnte derweil weitere Herausforderungen mit sich bringen, wie die neuesten Prognosen des Staatssekretariat für Migration zeigen.

Hans-Caspar Kellenberger
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Bereits im vergangenen Jahr hat der Kanton, zusätzlich zu den Fremdsprachenintegrationsklassen, ein weiteres Integrationsangebot als Übergangslösung ins Leben gerufen.

Bereits im vergangenen Jahr hat der Kanton, zusätzlich zu den Fremdsprachenintegrationsklassen, ein weiteres Integrationsangebot als Übergangslösung ins Leben gerufen.

Bild: Kenneth Nars

Geflüchtete Kinder und Jugendliche ohne Deutschkenntnisse besuchen im Baselbiet in der Regel eine sogenannte Fremdsprachenintegrationsklasse (FSK) der jeweiligen Primar- oder Sekundarschule. Zudem haben, so will es der gesetzlich verankerte Bildungsanspruch, die FSK der Sekundarschulen in den letzten Jahren auch Jugendliche aufgenommen, deren Schulpflicht eigentlich bereits beendet war, die jedoch keine Deutschkenntnisse besassen.

Übergangslösung weiter notwendig

Jetzt aber könne, so heisst es in einer Mitteilung des Kantons, «aufgrund der stetig wachsenden Anzahl von Jugendlichen ohne Deutschkenntnisse über 16, diese pragmatische Praxis nicht fortgeführt werden. Die Heterogenität bezüglich Alter und individuellen Problemstellungen wie
zum Beispiel mangelnde Alphabetisierung oder Traumata bei Geflüchteten brachte das System der FSK an den Anschlag», so der Wortlaut in der Mitteilung.

Für Jugendliche ohne Deutschkenntnisse zwischen 16 und 18 Jahren hat der Kanton bereits im vergangenen Jahr und als Übergangslösung ein «tagesstrukturierendes Integrationsangebot» zur Vorbereitung auf die Sekundarstufe II (IAV SEK II) aufgebaut – parallel zu den FSK. Im Zentrum stünden hier der Spracherwerb und die Akkulturation.

Nach dem einjährigen Besuch der IAV Sek II soll ein Übertritt in ein Brückenangebot, eine berufliche Grundbildung oder in eine Mittelschule erfolgen. Das Angebot wird derzeit vom Zentrum für Brückenangebote (ZBA) durchgeführt und von 65 Jugendlichen in fünf Klassen besucht.

Auch das zusätzliche Angebot könnte unter Druck geraten

«Das IAV Sek II entlastet die FSK der Sekundarschulen und verbessert die Chancen aller betroffenen Jugendlichen, einen Abschluss auf Sekundarstufe II zu erreichen und den Schritt in die wirtschaftliche Selbstständigkeit zu schaffen», heisst es beim Kanton. Deshalb wird das IAV Sek II im kommenden Schuljahr 2023/24 erneut angeboten.

Auf Basis der Erfahrungen im laufenden Schuljahr und einer Umfrage bei den Sekundarschulen werde für 2023/24 wiederum mit fünf Klassen im IAV Sek II gerechnet. Zudem werde die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion eine Landratsvorlage erarbeiten, um diese Integrationsmassnahme ins reguläre Bildungsangebot zu überführen, wie es in der Mitteilung heisst.

Ob das ausreichen wird, steht in den Sternen. Die neueste Erhebung des Staatssekretariat für Migration (SEM) lässt in dem Bereich jedenfalls dunkle Wolken am Horizont erahnen. Die Angebote für fremdsprachige Kinder und Jugendliche könnten 2023 – und trotz der gegenwärtigen Massnahmen – noch stärker unter Druck geraten.

Bereits 2022 nahm die Anzahl neuer Asylgesuche in der Schweiz gegenüber dem Vorjahr um rund 64 Prozent zu. Hinzu kamen knapp 75'000 Gesuche für den Schutzstatus S von Menschen aus der Ukraine. Das SEM rechnet denn auch für 2023 mit einer überdurchschnittlich hohen Zahl neuer Asylgesuche. In den beiden wahrscheinlichsten Szenarien sei demnach mit zwischen 24'000 und 40'000 neuen Asylgesuchen zu rechnen. Zum Vergleich: 2022 waren es rund 24'500.