"Der politische Islam vereinnahmt den öffentlichen Raum"

Efgani Dönmez
Der türkischstämmige Muslim spricht Klartext: gegen falsch verstandene Toleranz und für die Einhaltung von Europas Grundwerten.

Efgani Dönmez war von 2008 bis 2015 Bundesrat der Grünen. Wegen kritischer Äußerungen wurde der Migrationsexperte nicht mehr nominiert und er hat die Grünen verlassen. Der neue ÖVP-Obmann Sebastian Kurz hat den 40-Jährigen, der in der Türkei geboren ist, für den fünften Platz der Bundesliste nominiert und ihm damit den sicheren Einzug in den Nationalrat gesichert. Dönmez hat Anfang Juli in Berlin die von ihm gegründete europäische Bürgerinitiative Stop Extremism vorgestellt, der auch die bekannte liberale Imamin Seyran Ateş angehört.

Dönmez ist nun auch unter die Autoren gegangen Im einigen Wochen wird sein Buch Nicht die Herkunft, sondern das Verhalten zählt erscheinen.

KURIER: In einem Facebook-Eintrag kritisieren Sie, dass die Stadt Leonding im Kürnbergbad das Tragen von Burkinis erlaubt. Die Identitären haben aus diesem Grund eine Protestaktion veranstaltet. Stört es Sie, dass die Identitären dasselbe Anliegen wie Sie vertreten?Efgani Dönmez: Die entscheidende Frage ist, wie es so weit kommen kann, dass der öffentliche Raum von bestimmten Strömungen des politischen Islams immer mehr vereinnahmt wird. Wir dürfen dem aus einer falsch verstandenen Toleranz nicht nachgeben und das der Mehrheitsbevölkerung krampfhaft als Gleichberechtigung zu verkaufen versuchen.Gesellschaftliche Teilhabe und Integration kann es nur dann geben, wenn es ein gemeinsames Fundament der Werte gibt, die wir alle teilen. Unabhängig davon, von wo wir abstammen und welcher Ethnie und Religion wir angehören.

Ein Beispiel für die aktuelle Asylpolitik. Ein Ehepaar kam mit einem Studentenvisum nach Linz. Weil kein Studienerfolg gegeben war, wurde das Visum nicht verlängert. Das Paar, inzwischen mit zwei Kindern gesegnet, hat sich dann für 2000 Euro einen Anwalt genommen, der erfolgreich einen Antrag auf Aufenthalt aus humanitären Gründen gestellt hat.

Das kann nur passieren, weil unsere Behörden nicht miteinander kommunizieren. Es muss einen intensiveren Austausch geben, damit man vieles vermeidet und unterbindet. Das Integrationsleitbild in Oberösterreich sollte einen Punkt enthalten, der die Vernetzung zwischen den Behörden enthält.

Ein anderer Fall. Ein Ehepaar hat um Asyl angesucht, was abgelehnt wurde. Weil die beiden nicht ausgereist sind, erhielten sie eine Strafe von 5500 Euro. Sie ließen den Bescheid liegen, erst, als sie nach mehreren Monaten eine Mahnung in der Höhe von fünf Euro erhielten, gingen sie zur Polizei. Sie ersuchten um Ratenzahlung von 50 Euro pro Monat, was abgelehnt wurde. Es müssten mindestens 200 Euro pro Monat sein, wurde ihnen beschieden. Weil sie kein Asyl haben, dürfen sie auch nicht arbeiten. Der Staat drängt sie nun in die Schwarzarbeit. Ist das nicht absurd?

Absurd ist es, wenn Menschen mit einem negativen Asylbescheid in Österreich bleiben. Es gibt folgende Möglichkeiten. Entweder sie reisen aus oder sie erhalten eine Geldstrafe oder sie werden bis zu zehn Monate in Schubhaft genommen. Das Schubhaftzentrum in Vordernberg (Steiermark) wurde mit Millionengeldern errichtet und steht de facto leer. Im Übrigen werden Menschen, die kein Einkommen haben, diesen Betrag nie zurückzahlen können. Man muss sich fragen, wie Angehörige von bestimmten Ländern überhaupt zum eigentlichen Asylverfahren zugelassen werden. Wir müssen die Beamten stärken, damit sie ihren Aufgaben nachkommen können. Dort, wo der Staat schwach ist, haben wir massive Folgeprobleme.

Die Asylverfahren haben in der Vergangenheit viel zu lange gedauert, jetzt sind wir bei sieben Monaten. Denn wir müssen die Asylwerber unterbringen und versorgen, was die Steuerzahler sehr viel Geld kostet. Es wäre günstiger, strengere Gesetze zu beschließen, die Behörden personell entsprechend auszustatten.

Wir als Politiker haben die Aufgabe dafür zu sorgen, damit die Behörden ihre Aufgaben so gut und so kostengünstig wie möglich erfüllen können.

Sind Sie bereits ÖVP-Mitglied?

Nein. Das werde ich auch nicht.

Bleiben Sie unabhängig? Was ist Ihre Rolle?

Ich bin Teil der Bewegung Liste Sebastian Kurz. Ich werde meinen Weg, den ich bisher gegangen bin, weitergehen. Das war von Anfang an so vereinbart, ich werde nie wieder irgendeiner Partei beitreten.

Teilen Sie die Position von Kurz, die Mittelmeerroute zu schließen?

Ja.

Die Grünen lehnen das ab, weil es unmenschlich sei, die Menschen in die furchtbaren Lager nach Afrika zurückzubringen.

Laut UNHCR sind derzeit 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Weitere unzählige Millionen sind prognostiziert. Jene, die jetzt flüchten, stammen aus verarmten Ländern, aber nicht aus Ländern, wo Krieg herrscht. Von den 45.000, die seit Jahresbeginn in die EU gekommen sind, waren laut der Grenzschutzbehörde Frontex 650 Syrer. Der Großteil kam aus Ländern mit prekären Verhältnissen. Aus menschlicher Sicht verstehe ich, dass die Menschen weg wollen. Die Genfer Flüchtlingskonvention wurde aber nicht ins Leben gerufen, Armutsmigration zu betreiben, sondern vor Verfolgung zu schützen.

Dazu kommt, dass 80 bis 90 Prozent männlich und jung sind. Sie sind kaum qualifiziert. Wir müssen uns die Frage stellen, welche Perspektiven wir diesen Menschen anbieten können. Die Flüchtlinge kommen jedoch zumeist aus bildungsfernen Schichten. Es stellt sich die Frage, wie viele Flüchtlinge wir vertragen und welche Form der Migration und Zuwanderung wir haben möchten. Darüber sollten schon wir selbst bestimmen und uns nicht überrennen lassen. Derzeit sind wir nicht Herr der Situation.

Wie viele Flüchtlinge verträgt Österreich?

Die jüngst veröffentlichte Religionsstudie prognostiziert für Wien 30 Prozent Muslime. Wenn ich mir bestimmte Stadtteile und Schulen ansehe, ist schon längst jegliches Maß überschritten. Wenn Schulen und Klassen einen Migrantenanteil von 80 bis 90 Prozent haben, läuft etwas schief.

Dann müssten wir eigentlich einen Zuwanderungsstopp machen.

Wir leben in Europa und im 21. Jahrhundert. Wir müssen schon selbst bestimmten, welche Form der Zuwanderung wir haben wollen. Entscheidend ist aber welche Zuwanderung. Es kann nicht sein, wenn aus Nordafrika die ungebildeten und unqualifizierten Leute hereinkommen, die wir in den nächsten Jahrzehnten vielleicht unter den größten Anstrengungen fit machen müssen. Gleichzeitig stehen wir im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe der Welt. Man muss auch jenen sagen, die nicht entsprechend qualifiziert sind, dass sie nicht benötigt werden.

Wir brauchen ein Ministerium für Migrations- und Integrationsangelegenheiten. Die künftige Regierung sollte die Kompetenzen, die jetzt verstreut sind, bündeln, damit wir endlich lenken und steuern können. Das werde ich einbringen.

Österreich muss für die besser Qualifizierten und Gebildeten attraktiv werden. Wir haben derzeit folgenden Effekt. Jene, die besser qualifiziert sind, und einen positiven Asylbescheid bekommen haben, versuchen aus Österreich wergzukommen. Ich kenne hier viele Syrer. Denn für sie ist es ganz schwierig, als Techniker, als Arzt etc. Fuß zu fassen.

Sind Österreichs Behörden zu restriktiv?

Viele empfinden es als Schikane und es ist auch oft nicht nachvollziehbar. Bei uns ist vieles zu verbürokratisiert und die Verfahren dauern zu lange. Wir müssen schnell und klar entscheiden wer zu uns kommen darf und wer nicht. Je länger diese Menschen zum Nichtstun verurteilt sind, desto schneller verlieren sie die Fähigkeiten. Wir müssen das Umfeld so gestalten, dass sie sich für Österreich entscheiden. Jetzt gehen viele nach Deutschland. Dort haben sie es leichter.

Wer wird besser abschneiden, die Grünen oder Peter Pilz mit seiner Liste?

Pilz wird den Einzug in jedem Fall schaffen. Die Grünen w erden sich bei acht Prozent einpendeln.

Die Religionsstudie prognostiziert im extremsten Fall für Wien 2046 rund 30 Prozent Muslime, die Katholiken wären nach den Konfessionslosen nur mehr die drittstärkste Gruppe. Ist das ein Problem?

Wir wissen bis heute nicht, wie viele Mitglieder die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) hat. Sie tut so, als ob alle Muslime Mitglieder wären. Das sind derzeit 700.000. Ich fordere die Glaubensgemeinschaft auf, ihre Zahlen offenzulegen.

Der zweite Punkt ist, welche Form des Islams in Österreich sichtbar wird. Wer sind die Mitglieder der IGGÖ? Das ist nicht der Hort der Aufklärung und der Fortschrittlichen, sondern ganz im Gegenteil. Es ist unübersehbar, dass die reaktionären Kräfte am Ruder sind.

Die Muslimbruderschaft hat mit der Unterstützung von Präsident Erdoğan aus der Türkei große Netzwerke aufgezogen. Diese Form des Islams wird uns riesengroße Probleme bereiten. Das kann man in der Türkei sehen. Diese Sichtweisen dürfen aufgrund einer falsch verstandenen Toleranz nicht Fuß fassen. Sie gehören mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zurückgedrängt.

Bei den Versuchen des politischen Islams, auf den öffentlichen Raum Einfluss zu nehmen, darf man keinen Millimeter zurückweichen. Beispiele sind die Kreuzdiskussionen in den Schulen, Burkinis in den Bädern, die Teilhabe der Schülerinnen am Schwimmunterricht und am Schulausflug usw. Aufgrund der Entwicklung der Türkei weiß ich, was das heißt.

Wir müssen auch die Finanzkanäle aus dem Ausland trockenlegen. Deshalb habe ich auch die Europäische Bürgerinitiative Stopp dem Extremismus ins Leben gerufen, die sich an die europäische Charta der Grundrechte anlehnt.

Wie kann man die Finanzflüsse aus dem Ausland trockenlegen?

Katar hat in den vergangenen Jahren 85 Millionen Euro nach Europa transferiert, um das Netzwerk auszubauen. Wir wissen, welche Geisteshaltung hier exportiert wird. In Berlin-Neukölln gibt es Diskussionen, weil eine Moschee Millionenspenden entgegennehmen soll. Diese Leute kaufen sich in die Moscheegemeinden ein. Sie sagen,wir finanzieren die Infrastruktur, wir stellen den Imam und ihr bekommt von uns die Bücher. Somit bekommen sie Einfluss auf die Gemeinde vor Ort. Welche Form des Islams da um sich greift, wenn salafistisch-wahhabitische Strömungen am Ruder sind, muss man nicht extra erklären. Das ist eine Kampfansage an eine offene Gesellschaft.

Es ist wichtig, zu unterscheiden zwischen den Gläubigen und den politischen Brückenköpfen, die Erdoğan und die Muslimbrüder mit Unterstützung aus Katar und der Türkei aufgebaut haben. Wir müssen unsere Migranten vor diesen Einflüssen schützen. Sonst ist der Konflikt vorprogrammiert. In Österreich sind Auslandsfinanzierungen verboten, hier sollte uns aber das Bundeskanzleramt als zuständiges Resort schon längst einen Prüfbericht vorlegen, es ist aber säumig. Wir wissen immer noch nicht, ob islamische Vereine und islamische Kindergärten in Wien von ausländischen Organisationen finanziert werden.

Wie beurteilen Sie den Flüchtlings-Deal der EU mit Erdoğan? Die EU bezahlt unzählige Millionen, die Türkei hat erst 1300 Flüchtlinge aus Griechenland rückübernommen.

Die EU hat sich erpressbar gemacht. De facto sind die Beitrittsverhandlungen auf Eis gelegt, die Zahlungen laufen aber weiter. Wir wissen, dass es in der Türkei keinen Rechtsstaat mehr gibt. Die Anzahl der Journalisten in Gefängnissen ist weltweit die höchste. Diese Türkei hat in einer europäischen Union und Wertegemeinschaft nichts verloren.

Die EU hat sich in eine massive Abhängigkeit begeben.

Das war falsch?

Das war absolut falsch. Erdoğan sitzt hier am längeren Ast. Die EU musste sich das teuer erkaufen. Es ist wichtig, dass wir massiv mit anderen Ländern in Verhandlungen treten, damit wir uns aus diesem Missverhältnis herausmanövrieren können.

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