WirtschaftsWoche: Herr Imboden, Sie haben die internationale Expertenkommission geleitet, die die Exzellenzinitiative der deutschen Bundesregierung evaluiert hat. Wie bewerten sie die deutsche Hochschullandschaft?
Eigentlich ist das deutsche System und sind die Forschenden und Lehrenden an deutschen Hochschulen fantastisch.
Aber?
Aber sie kämpfen im internationalen Vergleich mit sehr kurzen, stumpfen Spießen. Ich habe eine große Hochachtung für meine Kolleginnen und Kollegen in Deutschland. Aber zum Teil sind die Bedingungen, die politisch vorgegeben sind, sehr viel schlechter als etwa bei uns in der Schweiz. Deshalb müsste man den Hochschulen viel mehr den Rücken stärken.
Woran machen Sie diese Ungleichheit fest?
Wenn Sie die RWTH Aachen oder die TU München, die zu den besten deutschen Universitäten zählen, etwa mit der ETH Zürich vergleichen, dann merken sie schnell: Wir haben bei uns sehr viel mehr Geld. Das muss man bei jedem Vergleich berücksichtigen. Es kommen auch auf einen Professor viel weniger Studenten. Da ist es natürlich ganz klar, dass die Verhältnisse anders sind.
Zur Person
Dieter Imboden ist emeritierter Professor der ETH Zürich. Er war von 1988 bis 2012 ordentlicher Professor für Umweltphysik im Departement Umweltwissenschaften und leitete dieses sowie die gleichnamige Abteilung von 1992 bis 1996 als Vorsteher. Von 2005 bis 2012 war er Forschungsratspräsident des Schweiz. Nationalfonds (SNF).
Sollten sich die deutschen Hochschulen ein Beispiel an den Schweizer Institutionen nehmen?
Beide Länder haben ein föderalistisches System, in dem die Verantwortung für die Universitäten nicht beim Bund, sondern beim Land beziehungsweise in der Schweiz beim Kanton liegt. Die Schweiz hat schon vor über 50 Jahren lernen müssen, dass die meisten Kantone für die alleinige Finanzierung einer modernen Universität zu schwach sind. Seither gewährt der Bund eine Sockelfinanzierung, deren Höhe von der Finanzkraft des betreffenden Kantons abhängt, ohne dass dadurch der Bund die Hochschulen übernommen hätte. In Deutschland haben sich die Länder gegen eine permanente Mitfinanzierung durch den Bund zu lange gewehrt. Erst kürzlich ist das so genannte Kooperationsverbot im Grundgesetz aufgehoben worden.
Was wäre der Vorteil der Bundesfinanzierung einiger Hochschulen?
Wenn es ein paar gibt, die mehr Geld, mehr Ausstattung haben und deshalb weltweit an der Spitze mithalten können, nützt das dem ganzen System. Das müsste auch in Deutschland geschehen, aber das tut es nicht. Und weil man diesen Mut nicht hatte, nivelliert die Exzellenzinitiative eher das Niveau, als Spitzenleistung zu fördern.
Innerhalb von zehn Jahren hat der Bund immerhin 4,6 Milliarden Euro an die Exzellenzhochschulen ausgezahlt. Hat sich dadurch nichts geändert?
Seit die Initiative läuft, war das jährliche Wachstum der Forschungsgelder für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie Fraunhofer- oder Max-Planck-Institute so groß, wie der einmalige Zuschuss für die Unis durch die Exzellenzinitiative. Mit anderen Worten heißt das, dass die Spieße noch ungleicher geworden sind.
Was können Hochschulen tun, um mit den begrenzten Mitteln klarzukommen?
Man kann aus der Not eine Tugend machen. Der frühere Wissenschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, ein Land, in das aus der Exzellenzförderung kaum je ein Euro geflossen ist, sagte mir einst, man müsse das akzeptieren und schauen, wo man seine Nische finde. Es müsse sich nicht jede Uni mit Heidelberg oder der LMU in München vergleichen. Aber man brauche, um es im Wirtschaftsjargon zu sagen, einen „unique selling point“. Um den zu finden, benötige man etwas Fantasie.