Meilenstein der Automation: Safety „Innovationsfähigkeit gehört zur Pilz-DNA“

Autor Karin Pfeiffer

Wer so untrennbar mit Safety und Security verbunden ist, der bringt weit mehr mit als ein umfassendes Know-how. Innovationskraft zum Beispiel, auch Wertevorstellungen, die ebenfalls Maßstäbe setzen. Pilz hat all das. Denn das Familienunternehmen hat Automatisierung schon immer ganzheitlich unter den Aspekten Sicherheit und Standard betrachtet, erzählt Susanne Kunschert.

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Susanne Kunschert ist geschäftsführende Gesellschafterin der Pilz GmbH & Co. KG.
Susanne Kunschert ist geschäftsführende Gesellschafterin der Pilz GmbH & Co. KG.
(Bild: Pilz)

Pilz gilt als Wegbereiter der sicheren Automation, der auch technologische Entwicklungen weltweit mitprägt. Das gelingt nur wenigen Unternehmen. Welche Rolle spielt dabei Familienführung und Unternehmensphilosophie?

Susanne Kunschert: Als bankenunabhängiges Familienunternehmen kann Pilz Entscheidungen frei treffen. Im Fokus dieser Entscheidungen stehen der Mitarbeiter und die Innovationskraft: Wir wollen ein sicherer Arbeitgeber sein und dabei mit unserer Innovationsstärke punkten.

Was wir erwirtschaften, fließt deshalb in die Zukunft unseres Unternehmens. Dabei führt uns immer die Frage, was notwendig ist, damit Pilz am Markt weiter wachsen kann.

Wir haben schon immer geschaut und darauf Wert gelegt, nachhaltig zu wirtschaften. Mein Vater Peter Pilz hat bereits vor rund 50 Jahren das Leitbild des Unternehmens in wenigen Sätzen festgehalten: „Wir wollen unsere Kunden durch unsere Leistungen überzeugen und nur beste Produkte und überdurchschnittliche Dienstleistungen anbieten.“

An diesem Leitbild richten wir gestern, heute und auch in Zukunft all unser Denken und Handeln aus: Wir wollen mit unserer Arbeit in der Automation die Sicherheit des Menschen immer in den Mittelpunkt stellen.

Dabei wollen wir innovative Lösungen anbieten, mit denen es gelingt, Produktivität und hohe technische Ansprüche effizient miteinander verschmelzen zu lassen. Innovative Ideen aufgreifen und weiterverfolgen, das ist unsere Philosophie mit Blick auf die Technologie.

Und wie wichtig sind gelebte Wertevorstellungen bei Pilz im globalen Zeitalter?

Susanne Kunschert: Als internationales Unternehmen mit 40 Tochtergesellschaften auf allen Kontinenten pflegen wir eine weltweit einheitliche Wertekultur. Natürlich gibt es länderkulturelle Besonderheiten, aber als Menschen sind wir alle gleich.

Wenn man sich mit dem nötigen Respekt begegnet, kann man hervorragend zusammenarbeiten. Unser Umgang basiert auch im internationalen Kontext auf Vertrauen, Respekt und einem menschlichen, durch Rücksichtnahme geprägtem Miteinander. Diese Werte findet man überall auf der Welt.

Ich bin davon überzeugt, dass wir gerade in unserer schnelllebigen Zeit solche Werte brauchen, weil sie den Menschen Halt geben können. Es gilt, sie mit all‘ den schnelllebigen Entwicklungen nicht alleine zu lassen. Digitalisierung und Wertediskussion müssen deshalb Hand in Hand gehen.

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Welche Strukturen hat Pilz aufgebaut, um innovationsfähig zu sein?

Susanne Kunschert: Innovation ist kein Selbstzweck. Sie ist Bestandteil der Pilz-DNA, sie sorgt für Zukunftsfähigkeit. Innovation und Innovationsfähigkeit werden aber nicht vorrangig mit Blick auf die Technik oder Technologie selbst diskutiert. Es sind die Denkweise, die Unternehmenskultur und die Ausrichtung bei Pilz, die Innovation vorantreiben.

Wir sind zum Beispiel ganz nah am Markt: Durch die enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Kunden und Anwendern. Hieraus schöpfen wir Ideen für Neues. Aber auch von intern kommen vielfältige Ideen, Kreativität ist bei Pilz erwünscht, kennt keine Hierarchie. Deshalb haben wir frühzeitig agile Arbeitsmethoden, zum Beispiel Scrum, in unseren Arbeitsalltag integriert. So haben wir einen kontinuierlichen Strom an Ideen.

Zusätzliche Impulse bekommen wir durch unsere intensive Mitarbeit in internationalen Forschungsprojekten und in Technologie-Initiativen wie Smart Factory KL oder der Arena2036. Es ist also ein Zusammenwirken vielfältiger Faktoren, das schließlich zu Innovationen führt.

Stichwort Industrie 4.0: Pilz war einer der Wegbereiter in Berlin, hat sein Know-how aus der Safety innerhalb der Forschungsunion eingebracht. Wie wichtig ist das Thema Safety für die Digitalisierung?

Susanne Kunschert: Wir bei Pilz sprechen von der sicheren Automation und meinen damit Safety und Security. Safety und Security sind die englischen Bezeichnungen des Begriffs Sicherheit. Sie stehen für zwei ganz unterschiedliche Technologien, Phänomene oder Sachgebiete.

Während Safety umgangssprachlich den Schutz des Menschen und der Umwelt vor der Maschine bezeichnet, ist Security der Schutz der Maschine und Anlagen samt ihren Daten vor möglichen äußeren Zugriffen und Manipulationen.

Safety und Security sind damit sogenannte Enabler – sie ermöglichen erst die Automation. Die Digitalisierung im Kontext von Industrie 4.0 zieht eine Vielzahl neuer Themen und Aufgaben für den Bereich Safety nach sich: Zum einen gibt es dynamische Konfigurationen auf allen Ebenen, für die es Lösungen zu erarbeiten gilt. Zum anderen gewinnt die Autonomisierung an Bedeutung. Eine Maschine, die im Standby war, soll wieder in den Produktionsverbund eingebunden werden. Dies gilt es, autonom und sicher zu gewährleisten. Hinzu kommt, dass künftig die enge Verzahnung von Mensch und Roboter autonome Maschinen und Anlagen erfordert. Die sichere Automation wird in der Smart Factory in einem agilen Kontext und mit autonomen Maschinen und Anlagen ein Muss sein.

Security und auch Safety sind kein Endzustand, sondern ein ständiges Anpassen an neue Voraussetzungen. Wie gelingt Pilz das Orchestrieren so vieler Einflussfaktoren?

Susanne Kunschert: Safety und Security haben ganz unterschiedliche Vorgehensweisen und Mechanismen. Das Thema Safety ist normativ und regulativ geprägt. Zugrunde liegt der Prozess, Risiken zu erkennen, gegebenenfalls zu reduzieren und zu beherrschen. Was als „sicher“ angesehen wird, unterliegt dem Stand der Technik und dem gesellschaftlichen Konsens. Änderungen in oder an der Maschine bedingen in der Regel einen Neudurchlauf dieses Prozesses oder Teilen davon.

Die Risikosituation im Bereich Security kann sich sehr dynamisch und schnell ändern. Entsprechend ist es wichtig, kurzfristig Schutzmechanismen und Maßnahmen zu treffen und zu implementieren. Beide Themen parallel zu orchestrieren gelingt durch separate und hochmotivierte Teams, die sich auf dem Stand der Technik bewegen und eng zusammenarbeiten.

Digitalisierung, Smart Factory: Welche Technologien werden von Ihren Kunden derzeit schon nachgefragt?

Susanne Kunschert: Im Bereich der Dienstleistungen sind im Moment das Thema Mensch-Roboter-Kollaboration und seine Anwendungsmöglichkeiten sehr nachgefragt. Im Bereich der Produkte ist es das Thema „Daten einsammeln, sie in die Cloud zu transportieren und der weiteren Nutzung zuzuführen“. Auf dem Gebiet der Systeme geht es beispielsweise um die weitere Vernetzung und um Themen wie etwa OPC-UA und TSN, also Time-Sensitive Networking. TSN bezeichnet eine Reihe von Standards, an denen die Time-Sensitive Networking Task Group (IEEE 802.1) zum Thema Echtzeit arbeitet.

Aus dem Bereich Bildung/Ausbildung kommen zunehmend Anfragen nach Kooperationen, Inhalten und Lernsystemen. Insgesamt gewinnt die Konnektivität an Bedeutung. Software auf allen Ebenen, von Tools bis Apps, wird einen deutlich größeren Anteil einnehmen, weitgehend Cloud gestützt. Neue Dienstleistungen rund um Daten und Lebenszyklus werden unser Angebot ergänzen.

Wie unterstützen Sie technologisch Ihre Kunden bei den Entwicklungen und der Umsetzungen von Industrie 4.0?

Susanne Kunschert: Die Herausforderung für Pilz als international agierender Hersteller ist, ein breites Portfolio Industrie-4.0-fähig zu gestalten und das bestehende Angebot um neue Lösungen zu ergänzen beziehungsweise mit neuen Funktionen zu versehen.

Dafür ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Kunden notwendig. Wir gehen daher den Weg, gemeinsam mit dem Anwender aufzuzeigen, welche Anforderungen Industrie 4.0 in der Zukunft an die Applikation beziehungsweise an die jeweiligen Produkte stellten wird.

Gemeinsam arbeiten wir dann heraus, was davon heute schon vorhanden ist und wie sich dies weiterentwickeln lässt. Beispielsweise ist unsere Steuerung PSSuniversal PLC in unserem Automatisierungssystem PSS4000 mit ihrem Ansatz, gleichzeitig für Sicherheit und Automation zu sorgen, mit ihrer verteilten Intelligenz bei zentraler Sicht, mit ihrer Skalierbarkeit und mit ihrem Publisher/Subscriber-Prinzip bestens gerüstet.

Insoweit können Anwender mit dem System mitwachsen und sich gut auf die zukünftigen Themen vorbereiten.

Welche Rolle werden Ihre Mitarbeiter in einer digitalisierten Zukunft spielen?

Susanne Kunschert: Unsere Mitarbeiter spielen dabei eine entscheidende Rolle. Deshalb bilden wir unsere Mitarbeiter schon seit langem und sehr gezielt weiter, um sie auf die Herausforderungen des Wandels vorzubereiten. Wichtig ist, dass Unternehmen den Wandel aktiv mitgestalten. Auch Industrie 4.0 ist im Grunde ein Change-Prozess, bei dem aus unserer Sicht der Mensch immer im Mittelpunkt stehen muss.

Wer in Zeiten von Industrie 4.0 gewinnen will, der muss Kreativität und neue Formen der Zusammenarbeit zulassen und den Menschen dabei unterstützen.

Die Digitalisierung will die Produktion und die Arbeitswelt nachhaltig verbessern: Der Mensch soll durch neue Technologien effizienter, sicherer und gleichzeitig einfacher arbeiten können. Das muss auch nach intern gelebt werden. Genauso wichtig wie die technische Entwicklung ist es dabei, alle Mitarbeiter mitzunehmen. Das geht am allerbesten, wenn jeder in seiner tagtäglichen Arbeit sehen kann, wohin die Entwicklung geht, welche Vorteile und Aufgaben sie bietet – im Unternehmen selbst und beim Kunden.

Welche technologischen Trends zeichnen sich bereits für die Zukunft ab? Und welche speziell in der Automatisierung?

Susanne Kunschert: Die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) spielt in der Zukunft eine zunehmend wichtige Rolle. Dabei stellt sich die Frage, wie bei einem engen Miteinander von Mensch und Maschine die Sicherheit beider gewährleistet werden kann. Und hier kommt wieder die Technologie von Pilz ins Spiel. Sensorik von Pilz sorgt an zahllosen Roboter-Applikationen – ob mit oder ohne Schutzzaun – für den Schutz des Menschen und der Maschine.

Um die sichere Robotik mitzugestalten, arbeitet Pilz beispielsweise in Normengremien mit, um die für das gemeinsame Verständnis von Sicherheit notwendigen internationalen Normen und Standards zu definieren.

Unsere jahrelange Erfahrung beim Thema CE-Kennzeichnung für die Industrie haben wir übertragen und uns das Wissen sowie ein tiefergehendes Know-how für die Sicherheit von MRK selbst aufgebaut beziehungsweise erarbeitet.

Deshalb können wir den Anwender nicht nur bis zur CE-Kennzeichnung von MRK-Anwendungen begleiten, sondern wir unterschreiben die entsprechende Konformitätsbewertung und übernehmen damit die Verantwortung für das, was wir beurteilt, umgesetzt und validiert haben.

Welche neuen Märkte wird Pilz adressieren – und wie?

Susanne Kunschert: Pilz wird den eingeschlagenen Weg der internationalen Marktorientierung und der konsequenten Ausrichtung auf Systemlösungen und auf Dienstleistungen fortsetzen. Die sichere Automation als Königsdisziplin bleibt eines der wichtigen Unterscheidungsmerkmale von Pilz. Auf der Automatica stellen wir erstmalig unsere Service-Robotik-Module für die Industrie vor. Pilz bietet damit komplette Lösungen für die sichere Robotik an. Mit Hilfe der Module Roboterarm PSIR, Bedien-Panel PRTM, Schaltschrank PRCM mit Steuerungen für die Bewegung und die Sicherheit sowie unserer Softwaremodule auf Basis von ROS versetzen wir Maschinenbauer in die Lage, ihren eigenen industriellen Service-Roboter zu bauen.

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