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Bielefeld

Ausstellung: Einblick in Zettelkasten des Soziologen Niklas Luhmann

Ab 10. Juli in der Bielefelder Kunsthalle / 2018 wird an Philip Johnson erinnert

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Luhmanns Zettelkasten: 90.000 Notizzettel, aufbewahrt in drei Registerkästen mit jeweils acht Schubfächern, schlichte Buchenholzfronten ohne Beschriftung. | © Foto: Uni Bi

Luhmanns Zettelkasten: 90.000 Notizzettel, aufbewahrt in drei Registerkästen mit jeweils acht Schubfächern, schlichte Buchenholzfronten ohne Beschriftung. | © Foto: Uni Bi

05.05.2015 | 05.05.2015, 12:09
Niklas Luhmann: Der Gelehrte in seinem Büro. - © Foto: Rainer Geue
Niklas Luhmann: Der Gelehrte in seinem Büro. | © Foto: Rainer Geue

Bielefeld. Für die Gelehrtenwelt ist es der größte Schatz, den die Universität Bielefeld aufbewahrt. Die Kunsthalle wird ab dem 10. Juli den Zettelkasten von Niklas Luhmann erstmals im Original einem breiten Publikum zeigen. Im Museum wird darüber hinaus bereits für 2018 geplant. Zum 50-jährigen Bestehen des Gebäudes soll es eine Ausstellung über den Architekten Philip Johnson geben. Ein Förderantrag ist bei der Kulturstiftung des Bundes gestellt. Die Entscheidung darüber wird in diesem Monat erwartet.

Der Zettelkasten wird behütet gezeigt, wie es einem kostbaren Kunstwerk angemessen ist. "Er wird unter einer Glashaube zu sehen sein", sagt Museumsleiter Friedrich Meschede. "Anfassen kann man ihn nicht. Aber wir werden einen Einblick geben in die 24 Schubfächer."

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Antony Hegarty zu Besuch


Das künstlerische Schaffen von Antony Hegarty ist so vielfältig, dass Friedrich Meschede seinen Besuch in Bielefeld lieber geheim gehalten hätte. „Nein, er gibt hier kein Konzert“, sagt der Leiter der Kunsthalle. Hegarty hat als Sänger der Gruppe „Antony and the Johnsons“ Kultstatus in der Musikszene. Am 29. Mai besucht er Meschede, um mit ihm eine Ausstellung zu besprechen, die im kommenden Jahr in Bielefeld gezeigt werden soll. Der vielseitig begabte Künstler wird im November/Dezember als Stipendiat in Berlin wohnen. Die dort entstehenden Bilder möchte Meschede in der Bielefelder Kunsthalle präsentieren.

Rund 90.000 Notizen hat Luhmann (1927 - 1998) in mehr als 30 Jahren auf Zettel geschrieben. Aufbewahrt her er sie sortiert, genau genommen in drei Registerkästen mit jeweils acht Karteischubladen.

Streit der Erben

Nach längeren Streitigkeiten seiner Erben konnte die Universität Luhmanns Nachlass 2011 mit Unterstützung der Krupp-Stiftung und des Stifterverbandes der Deutschen Wissenschaft erwerben. Seit 2014 wird das Werk des Soziologen in einem Langzeitforschungsprojekt gesichert und erschlossen. Die Akademie der Wissenschaften und der Künste des Landes Nordrhein-Westfalen stellt dazu für 16 Jahre die finanziellen Mittel bereit.

Philip Johnson: Am Modell erläutert der Architekt 1966, wie das Gebäude nach der Vollendung 1968 aussehen soll. - © Foto: Günter Rudolf
Philip Johnson: Am Modell erläutert der Architekt 1966, wie das Gebäude nach der Vollendung 1968 aussehen soll. | © Foto: Günter Rudolf

Die Besucher der Kunsthalle können in wenigen Wochen von den ersten Ergebnissen dieser Forschung profitierten. "Wir werden einzelne Zettel auf Monitoren zeigen, so dass man einen Eindruck davon bekommt, wie systematisch Luhmann gedacht hat", sagt Meschede. Die Notizen, die Luhmann wohl auf alles geschrieben hat, was ihm jeweils aus Papier zur Verfügung stand, und die vielfach mit Verweisen untereinander verknüpft sind, werden in der Universität für die Archivierung im Computer erfasst.

Anders als Luhmanns Zettelkasten, der seine Gedanken bewahrt, wurde sein Büro U4-208 ausgeräumt und dient heute anderen Zwecken, dem Prüfungsamt der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft. Seine Nachfolger mussten in der sich stetig verändernden Hochschule umziehen.

Weitere Ausstellungsstücke

Gleichzeitig mit Luhmanns Zettelkasten wird die Kunsthalle eine Auswahl des fotografischen Werkes von Jörg Sasse (*1962) und Zeichnungen von Ulrich Rückriem (76) zeigen. Die Ausstellung trägt den Titel "Serendipity - Vom Glück des Findens". Der in Bad Salzuflen geborene Sasse systematisiere sein Schaffen ebenso wie Rückriem. Dadurch würden sich Verbindungen zu Luhmanns Notizensammlung ergeben, erklärt Meschede.

Der Gesellschaftstheoretiker Luhmann war 1968 der erste Professor an der neu gegründeten Bielefelder Universität. Im gleichen Jahr wurde die Bielefelder Kunsthalle eröffnet. An dieses Ereignis will das Museum in drei Jahren erinnern. Zum 50-jährigen Bestehen des Hauses plant Friedrich Meschede eine Ausstellung über den Architekten Philip Johnson (1906 - 2005). Der US-Amerikaner hat das erste Gebäude entworfen, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland ausschließlich für die Kunstpräsentation errichtet wurde.

Der Nachlass von Philip Johnson befindet sich aufgeteilt im Getty-Museum in Los Angeles sowie in der Columbia University. In diesem Monat erwartet Meschede den Kurator der Sammlung aus New York in Bielefeld. Mit ihm will er Einzelheiten des Projektes besprechen. Fast zeitgleich erwartet der Leiter der Bielefelder Kunsthalle eine Entscheidung der Kulturstiftung des Bundes. Er hofft, dass dem Bielefelder Projekt eine bundesweite Bedeutung beigemessen wird und die Stiftung den Kern der Finanzierung der Ausstellung übernimmt.

Johnson kam 1930 erstmals nach Deutschland, damals gemeinsam mit Alfred Barr, dem Gründungsdirektor des Museum of Modern Art in New York. "Er leitete dort die Architekturabteilung", sagt Meschede. Später studierte er bei Walter Gropius in Harvard Architektur. 1947 sorgte Johnson mit einer Ausstellung für den Durchbruch von Ludwig Mies van der Rohe in den USA. 1962 gab es eine erste Begegnung mit Rudolf-August Oetker, der schließlich den Bau der Kunsthalle Bielefeld ermöglichte.


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