Martin Schulz hat mit seiner Ankündigung, die Agenda 2010 zu korrigieren, eine symbolträchtige Tat vollbracht. Ob man nun für oder gegen die Agenda ist – das ist in der SPD so eine Art Gretchenfrage, die eher Linke und Pragmatiker der Mitte seit jeher trennt. Schulz, der Kanzlerkandidat, sagt nun: Teile der Agenda seien ein „Fehler“, den man korrigieren müsste. Es ist eine seiner ersten halbwegs konkreten Festlegungen.
Die politische Botschaft dahinter ist klar: Ich bin bereit für einen linken Machtwechsel. Die Umfragen sehen SPD, Grüne und Linke ohnehin gleichauf mit Union, FDP und AfD. Eine Mehrheit im Bundestag im Herbst 2017 ist greifbar. Seitdem sich auch die Spitzenkandidatin der Linkspartei Sahra Wagenknecht am Wochenende höchst wohlwollend über Schulz‘ Vorstoß geäußert hat, ist die Debatte vollends entbrannt: Was würde „R2G“, wie es intern genannt wird, bringen? Wie würde das Linksbündnis die Bundesrepublik verändern?
Mit Blick auf Wahlprogramme, Positionspapiere und Aussagen der führenden Köpfe dazu drei Thesen:
1. Der Sozialstaat wird wieder zum Wohlfahrtstaat
Weniger befristete Jobs, mehr Arbeitslosengeld, weniger Zeitarbeit, höhere Renten. Das wäre wohl die Leitmelodie einer linken Bundesregierung. Die Linke will auch höhere Hartz-IV-Sätze und einem Mindestlohn von 12 Euro – das dürfte vielleicht Utopie bleiben. Doch die Richtung ist offenkundig: Bisher geltende Prinzipien wie „Hilfe zur Selbsthilfe“ und „Wer mehr arbeitet, erhält mehr Schutz“ werden aufgeweicht zugunsten einer pauschalen Anhebung des sozialen Niveaus und höherer Schutzwälle gegen böse Marktkräfte. Auf die Arbeitnehmer dürften etwa deutlich höhere Sozialbeiträge zukommen, die privaten Krankenkassen würden durch die Bürgerversicherung in ihrer Existenz bedroht, der Arbeitsmarkt verlöre an Flexibilität und Dynamik. Es drohte ein Ende des Jobwunders – vor allem bei nachlassender Konjunktur.
2. Die Reichen müssen ran
Die Sozialoffensive, gerade in der Rente, würde viele Milliarden Euro kosten. Ob deshalb am Ende noch genügend Geld für die dringend gebotene Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen übrig wäre – höchst fraglich. Besserverdiener und Wohlhabende hingegen müssten mehr an den Fiskus abgeben. Die Linke will beispielsweise einen Einkommensteuer-Spitzensatz von 50 Prozent ab 75.000 Euro. Die Vermögensteuer könnte ein Comeback erleben und die Erbschaftsteuer schärfer ausgestaltet. Kurzum: Entlastung rückt in weite Ferne, Belastung ist Trumpf.
3. Außenpolitisch droht die totale Unberechenbarkeit
Auf dem Feld der Diplomatie und der Verteidigung dürfte Rot-Rot-Grün die größten Schwierigkeiten haben. Genauer gesagt: Grüne und SPD gegenüber der Linkspartei. Letztere sympathisiert mit Putins Russland, will jegliche Auslandseinsätze der Bundeswehr abschaffen und hält nichts von der Nato. Wie es um die außenpolitische Verlässlichkeit Deutschlands und die Rolle der Republik in der Welt bestellt wäre, ist das heikelste Problem, das sich einer solchen Koalition stellen würde. Das politische Schadenspotenzial ist immens.