Ein Herz für alte Diesel Trumps Umweltbehörde auf Abwegen

US-Präsident Donald Quelle: AP

In den USA können Lkw-Händler die Abgasvorschriften mit einem Trick umgehen: Alte Dieselmotoren in neuen Karosserien. Die Obama-Regierung wollte das Schlupfloch schließen, doch unter Trump hat sich das Blatt gewendet.

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Abgasforscher wähnen sich in einem „Zombie-Film“, doch die Trump-Regierung meint es ernst: Die Umweltbehörde EPA will strengere Regeln für veraltete Dieseltechnik kippen, die wegen hoher Schadstoffbelastung eigentlich längst totgeglaubt war. Konkret geht es um die Ausstattung neuer Lkw mit alten Motoren, die die Luft viel stärker verpesten als Lastwagen mit moderner Abgasreinigung. Diese „Glider Trucks“ genannten Abgasschleudern schaden der Umwelt mehr als Volkswagens Abgasbetrug, meinen die Wissenschaftler, die den VW-Skandal mit aufdeckten.

„Die EPA bringt die ältesten und dreckigsten Dieselmotoren von den Toten zurück - sie werden in glänzenden neuen Karosserien verkleidet“, sagt Rachel Muncrief vom Umweltverbund ICCT, der bereits 2012 die Untersuchungen zu VWs „Dieselgate“-Affäre in Gang gebracht hatte. Dass alte Dieselmotoren in neue Lkw eingebaut werden dürfen, liegt an einer Ausnahmeregel. Sie sollte eigentlich dafür sorgen, dass unbeschadete Bauteile nach Unfällen wiederverwendet werden können. Truck-Händler nutzen dieses Schlupfloch jedoch schon seit Jahren, um verschärfte Emissionsregeln bei Neuwagen zu umgehen.

Die US-Abgasvorschriften wurden seit 2010 immer strenger, parallel dazu nahm das Geschäft mit „Glider Trucks“ stark zu. Wegen des Verzichts auf moderne Abgasreinigung können die Lkw deutlich günstiger angeboten werden. Nach ICCT-Schätzungen stiegen die jährlichen Verkäufe von weniger als 1000 auf rund 10.000 solcher Trucks. Die Regierung von Barack Obama wollte die Praxis beenden und brachte striktere Regeln auf den Weg, doch unter Donald Trump und seinem EPA-Chef Scott Pruitt hat sich das Blatt gewendet.

Die Schäden für die Umwelt sind enorm: Dem ICCT zufolge übersteigt der Ausstoß des Schadstoffs Stickoxid bei den pro Jahr verkauften „Glider Trucks“ den der rund 482.000 kleineren vom „Dieselgate“-Skandal betroffenen VW-Autos um etwa das 13-fache. „Die Motoren dieser Lkw sind im wahrsten Sinne des Wortes Killer“, meint Forscherin Muncrief. In den nächsten zehn Jahren würden US-Bürger durch diese Trucks zusätzlichen 1,5 Millionen Tonnen Stickoxid und zusätzlichen 16.000 Tonnen an Feinstaub ausgesetzt, was die Gesundheitskosten um zwölf Milliarden Dollar erhöhen dürfte.

Was verspricht sich die EPA von lascherer Regulierung? Offiziell wird die von Pruitt beabsichtigte Aufhebung der Obama-Regeln, die das Geschäft unter anderem auf jährlich 300 „Glider Trucks“ pro Firma begrenzen sollen, mit mangelnder Zuständigkeit seiner Behörde und dem Erhalt von Arbeitsplätzen begründet. Doch betroffen sind nur relativ wenige Jobs, der Lkw-Vertrieb an sich würde auch gar nicht behindert - es geht nur darum, die alten Dieselmotoren aus dem Verkehr zu ziehen. Sogar große Truck-Hersteller wie Volvo oder Navistar und Flottenbesitzer wie der Paketdienst UPS sprechen sich dafür aus.

Die „New York Times“ lieferte nun die Hintergründe der umstrittenen EPA-Entscheidung. Es ist eine Geschichte dubioser Lobbyeinflüsse, die von Spendengeldern, einer zweifelhaften Auftragsstudie und einflussreichen Verbindungen zur Trump-Regierung handelt. Im Zentrum der Affäre stehen die Unternehmerfamilie Fitzgerald aus Tennessee und EPA-Chef Pruitt - ein Mann, der sich als Anwalt dem Kampf gegen striktere Umweltgesetze verschrieben hatte, bis US-Präsident Trump ihn zum obersten Umweltschützer ernannte.

Die Fitzgeralds, die den größten „Glider Truck“-Handel in den USA betreiben, hatten Trump bereits im Wahlkampf unterstützt. In Anlehnung an dessen Slogan „Make America Great Again“ verkaufen sie neben Lkw auch Kappen mit der Aufschrift „Make Trucks Great Again“. Die Familie spendete bei der Gouverneurswahl in Tennessee zudem üppig für die Kampagne der Republikanerin Diane Black, die ihr Anliegen bei EPA-Chef Pruitt vorantrieb. Eine Sprecherin Blacks verteidigte dies als legitimes Bemühen, Jobs in Tennessee zu schützen.

Um die Regierung in Washington zu überzeugen, wurde auch eine Studie der Tennessee Technological University vorgelegt. Sie sollte angeblich belegen, dass die Schadstoffbelastung der Dieselmotoren harmloser als angenommen sei. Pruitt zitierte die Ergebnisse, als er im November empfahl, die Obama-Regulierung zurückzudrehen.

Unterlagen der Uni zeigen jedoch, dass Fitzgerald für diese Studie nicht nur bezahlt hat, sondern auch den Bau eines neuen Forschungszentrums auf einem Firmengelände anbot. An der Fakultät ist der Ärger deshalb groß, es läuft eine interne Untersuchung. ICCT-Forscherin Muncrief bezeichnet die Ergebnisse der Studie schlicht als „Schwindel“.

Dem Bericht der „New York Times“ nach profitieren die „Glider Trucks“ auch noch von anderen Schlupflöchern wie Steuervorteilen und einer Ausnahmeregelung bei elektronischen Tracking-Systemen, die Fahrer vor Übermüdung schützen sollen. Den Verdacht der Günstlingswirtschaft weist man in Washington aber zurück.

Pruitt sehe sich der Luftqualität verpflichtet, versicherte eine EPA-Sprecherin. Er stimme jedoch mit den Argumenten von Fitzgerald überein, wonach die Behörde die Verkäufe nicht begrenzen dürfe. Fitzgerald-Eigentümer Tommy Fitzgerald sagte, was Pruitt mache, sei „gute Politik“ und kein spezielles Entgegenkommen für sein Geschäft. Noch ist man jedoch nicht am Ziel - die EPA muss ihre Pläne noch finalisieren und die Mühlen der US-Bürokratie mahlen langsam. Zudem könnte die Angelegenheit wegen Klagen von Umweltschützern vor Gericht landen, was die Beseitigung der Obama-Regeln weiter verzögern würde.

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